Eberswalde ist eine Stadt mit 40.000 Einwohner*innen in Brandenburg (Deutschland), etwa 40 km von Berlin entfernt. Seit 2008 organisiert die Stadt einmal im Jahr den "Eberswalder Bürger*innenhaushalt". Dieser Bürger*innenhaushalt ermöglicht es allen Einwohner*innen von Eberswalde ab 14 Jahren, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit, Vorschläge zu machen, wie sie das Leben in allen Bereichen ihrer Stadt gestalten und die ihnen zur Verfügung gestellten 100.000 EUR verwenden möchten.
Wie funktioniert es?
Das Verfahren des Eberswalder Bürger*innenhaushalts ist einfach. Zunächst können das ganze Jahr über bis zum 30. Juni Vorschläge schriftlich, telefonisch, mündlich und elektronisch eingereicht werden. Diese Vorschläge werden dann von den Fachleuten der Verwaltung geprüft (Kosten, Verantwortung, Machbarkeit). Am "Tag der Entscheidung" können die Eberswalder*innen dann direkt über die eingereichten Vorschläge abstimmen (online und offline). Mit dem Bürger*innenbudget von mindestens 100.000 € können dann die beliebtesten und damit ausgewählten Vorschläge umgesetzt werden, bis diese Mittel ausgeschöpft sind. Ein eingereichtes Projekt darf maximal 15.000 Euro kosten.
- Flipchart-Papier
- Marker
- Buntstifte
- Wahlurne
- Gerät zur Vorführung eines Videos
- Schokoriegel
Hauptziel:
- Die Teilnehmer*innen diskutieren die Chancen und Herausforderungen des zivilgesellschaftlichen Engagements am Beispiel des Bürger*innenhaushalts in Eberswalde.
Ausführliche Ziele:
- Die Teilnehmer*innen lernen die demokratische Innovation des Bürger*innenhaushaltes kennen.
- Die Teilnehmer*innen lernen, wie sie eine Projektidee entwickeln können.
- Die Teilnehmer*innen lernen, wie sie eine Projektidee präsentieren und für sie werben können.
1. Einführung (15 Min.)
Führen Sie in das Thema der demokratischen Innovationen im Allgemeinen und der Bürger*innenhaushalte im Besonderen ein (siehe Einleitung des Tookits). Geben Sie einen Überblick über die Ziele des Workshops und die Schritte der Aktivität.
2. Empowerment (15 Min.)
Geben Sie jeder Person einen ausgedruckten Anhang 1. Bitten Sie alle Teilnehmer*innen, einen kurzen Fragebogen über persönliche Stärken und Talente auszufüllen. Ermutigen Sie sie, alle Stärken und Talente, die ihnen in den Sinn kommen, auf die Liste zu setzen.
Bitten Sie jeden, eines seiner Talente vorzulesen. Dieser Schritt soll den Teilnehmer*innen zeigen, dass sie alle Stärken und Talente haben, die bei der Entwicklung einer Projektidee nützlich sein können.
3. Entwicklung einer Projektidee (1 Stunde)
Teilen Sie die Teilnehmer*innen in Gruppen von 4-6 Personen ein. Verteilen Sie Anhang 2 und erklären Sie jeden Schritt. Beobachten Sie die Gruppen bei der Arbeit, moderieren Sie und beantworten Sie bei Bedarf Fragen.
4. Besprechung des Videos (40 Min.)
Führen Sie kurz in das Thema Bürger*innenhaushalt ein (siehe: Einleitung zu diesem Kapitel). Zeigen Sie das Video über den Bürger*innenhaushalt in Eberswalde.
Nachdem Sie das Video gesehen haben, beginnen Sie eine Diskussion über den Bürger*innenhaushalt und geben Sie die Möglichkeit, Fragen zum Verständnis zu stellen:
- Was haltet ihr von dieser demokratischen Innovation? Seht ihr Vor- und Nachteile?*.
- Würdet ihr gerne an einem Bürger*innenhaushalt in Eurer Gemeinde/Schule teilnehmen?
- Was haltet ihr von der Tatsache, dass im Video Jugendliche bereits mit 14 Jahren wählen dürfen? Ist das das richtige Alter? Sollte die Nationalität eine Rolle spielen?
- Wer sollte generell teilnehmen dürfen und wer nicht?
*Stärken
- Aktive Bürger*innenbeteiligung wird gefördert.
- Das Bewusstsein für die Bedürfnisse der Gemeinschaft ist bei Bürger*innen und Behörden geschärft.
- Demokratische Verfahren werden eingeführt und praktiziert.
- Einkommensschwache Gruppen und Stadtteile können mehr Aufmerksamkeit und Ressourcen erhalten
*Schwachstellen
- Die Zivilgesellschaft gerät in eine Konkurrenzsituation, anstatt kooperativ zu handeln.
- Projektträger*innen, die mit leeren Händen dastehen, könnten entmutigt werden.
- Wenn die Höhe der zu verteilenden Mittel zu gering ist, könnten die Bürger*innen den Eindruck gewinnen, dass die Behörden eine Beteiligung vortäuschen.
- Die Bürger*innen sind möglicherweise eher an kurz- oder mittelfristigen Projekten interessiert, was es schwierig macht, Diskussionen über langfristige Planungen zu initiieren.
- Es könnte leicht in einen Beliebtheitswettbewerb ausarten, bei dem die Leute ihre Freund*innen und Familien überzeugen, für ihren Vorschlag zu stimmen. Wer die meisten Freund*innen hat, gewinnt.
5. Präsentation einer Projektidee und Abstimmung (1 – 1,5 Stunden)
Bitten Sie die Gruppen, ihre Projektideen vorzustellen und lassen Sie alle Notizen machen. Erinnern Sie die Teilnehmer*innen an die Kriterien, bevor die Präsentationen beginnen. Geben Sie jeder Gruppe gleich viel Zeit für die Präsentation ihres Projekts.
Verteilen Sie nach der Präsentation der Projekte an jede Gruppe einen Stimmzettel (Anhang 3). Jede Gruppe kann eine bestimmte Anzahl von Stimmen verteilen, ähnlich dem Verfahren im Video.
Empfohlenes Verfahren für die Abstimmung:
Jede Gruppe erhält x* Stimmen zum Verteilen - *x= Anzahl der Projektideen x 2.
Pro Projekt kann maximal die Hälfte der möglichen Stimmen vergeben werden. Sie können auch für Ihr eigenes Projekt stimmen. (Beispiel: Bei 4 Projektideen können insgesamt 8 Stimmen vergeben werden, maximal 4 für ein Projekt).
Bitten Sie die Teilnehmer*innen aus jeder Gruppe, sich dem Team anzuschließen, welches die Stimmen zählt. Das Ergebnis wird vom Team verkündet und jede Gruppe erhält Schokolade im Verhältnis zu den erhaltenen Stimmen.
- Beispiel: 1 Stimme = eine Tafel Schokolade
6. Reflexion (20 Min.)
Diskutieren Sie mit der Gruppe folgende Themen:
Gemeinsame Entwicklung einer Projektidee:
Wie war es, gemeinsam eine Projektidee zu entwickeln? Was hat Spaß gemacht? Was war schwierig? Waren die Kriterien hilfreich?
Demokratische Einigung auf eine Projektidee:
Wie habt ihr Euch auf die Idee geeinigt, die ihr am Ende präsentiert habt? (Durch Mehrheitsentscheidung? Durch Konsenssuche? Durch Kompromiss?) War es ein fairer (demokratischer) Prozess? Warum? Warum nicht? War es ein inklusiver Prozess?
Abstimmung über die beste Projektidee:
War es einfach oder schwierig, die Stimmen zu verteilen? War der Prozess fair? Hatte jede*r die gleichen Chancen? Hat die Sympathie mit den Gruppenmitgliedern eine Rolle gespielt? Welche Kriterien waren besonders wichtig? Hat die Art der Präsentation eine Rolle gespielt? Ist es in Ordnung, wenn Projektideen (fast) leer ausgehen? Ist das Abstimmungsverfahren der beste Weg, um die beste Idee auszuwählen? Oder welche anderen Möglichkeiten könnte eine Stadt (Schule) anbieten, um Bürger*innen und Schüler*innen die Möglichkeit zu geben, ihre Ideen zu verwirklichen?
Erörterung der demokratischen Innovation des Bürger*innenhaushalts:
Sollten alle Städte und Gemeinden verpflichtet werden, einen bestimmten Anteil ihres Haushalts auf diese Weise zu verteilen? Wie hoch sollte der Anteil sein?
7. Sich wirklich engagieren (optional) (30 Min.)
Fragen Sie die Teilnehmer*innen, ob sie ihr Projekt umsetzen möchten. Was würde dazu nötig sein? Lassen Sie sie in Ihren Projektgruppen darüber sprechen und Ihre Entscheidung anschließend vorstellen. Üben Sie keinen Druck auf sie aus. Jedes Ergebnis ist willkommen. Wenn Sie Zeit und Ressourcen haben, können Sie sie bei der Umsetzung der Projektidee unterstützen